Oberverwaltungsgericht NRW, Aktenzeichen: 1 B 1563/21
Lesenswerte Gerichtsentscheidung. Alle Begründungsversuche der DTAG die den Abbruch der Beförderungsrunde rechtfertigen sollten, hielten der gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Weitere Gerichtsverfahren mit ähnlich lautenden Entscheidungen werden in Kürze hier ergänzt. (Zum Teil schon entschieden, aber Entscheidung noch nicht veröffentlicht)
Oberverwaltungsgericht NRW, Aktenzeichen: 1 B 1729/21
Eine weiter Entscheidung der OVG NRW. Mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts in Münster vom 25.01.2022, wird der DTAG aufgegeben das streitbefangene Stellenbesetzungsverfahren fortzuführen. Die bereits hier veröffentlichet Entscheidung vom 18.01.2022, wird ab Blatt 9 umfänglich zitiert.
Kommentar von Rechtsanwalt Helmut Legarth, Recklinghausen
Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat sich im Beschluss vom 25.01.2022, AZ: 1 B 1729/21, mit den Voraussetzungen für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens befasst. Da dem Beschluss eine interessante Geschichte vorausging, sei sie nachstehend zunächst geschildert:
Die DTAG informierte den Beamten im Oktober 2019, dass er im Rahmen der Beförderungsrunde 2019/2020 für eine Beförderung nicht anstehe, da das Ergebnis seiner Beurteilung von Juli 2019 nicht ausreichend sei. Der Beamte ging rechtlich gegen die dienstliche Beurteilung und die Ablehnung der Beförderung vor. Die DTAG erkannte offensichtlich zahlreiche Fehlerhaftigkeiten und erklärte, dass die Beurteilung aufgehoben und nach Neuerstellung eine neue Auswahlentscheidung getroffen werde. Damit erledigte sich das gesamte Verfahren im ersten Durchgang.
Im April 2020 fertigte die DTAG eine neue dienstliche Beurteilung, die mit demselben Gesamturteil schloss, und teilte dem Beamten mit, dass das neue Ergebnis für eine Beförderung nicht ausreichend sei. Dagegen ging der Beamte wiederum durch Widerspruchseinlegungen und spätere Klageerhebungen sowie Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes vor. Im Eilverfahren gab das Verwaltungsgericht Düsseldorf einen umfangreichen rechtlichen Hinweis und wies darauf hin, dass auch in der neu erstellten Beurteilung die Bewertungen der Einzelkriterien einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand halten würden und die Festlegung des Gesamturteils an einem Begründungsdefizit leide. Die DTAG hob die Beurteilung und Auswahlentscheidung auf und kündigte Neufertigungen an. Damit erledigte sich der zweite Durchgang.
Im Dezember 2020 fertigte die DTAG eine erneute dienstliche Beurteilung unter Beibehaltung des Gesamtergebnisses und teilte dem Beamten im Januar 2021 mit, dass das neue Ergebnis für eine Beförderung nicht reiche. Der Beamte legte gegen die Beurteilung und die Ablehnung der Beförderung Widerspruch ein und erhob später Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Er beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Durch Beschluss vom 29.03.2021 im Verfahren 10 L 228/21 untersagte das Verwaltungsgericht Düsseldorf der DTAG anderweitige Stellenbesetzungen bis über die Beförderung des Beamten erneut entschieden worden ist.
Nach Benennung zahlreicher Fehlerhaftigkeiten führt es kernsatzartig aus:
"Ist danach die dienstliche Beurteilung des Antragstellers abermals zu seinen Lasten fehlerhaft und die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung schon aus diesem Grunde rechtswidrig, so wäre ein Anspruch des Antragstellers, bis zu einer erneuten Entscheidung eine Beförderungsstelle für ihn freizuhalten, nur dann ausgeschlossen, wenn er in einem neuen Auswahlverfahren chancenlos wäre. Das ist hier nicht der Fall. Seine Aussichten, in einem neuen Auswahlverfahren, das die festgestellten Beurteilungsfehler vermeidet, ausgewählt zu werden, sind zumindest "offen" in dem Sinne, dass eine Auswahl möglich erscheint."
Die DTAG zog aus der Eilentscheidung Konsequenzen und hob die dienstliche Beurteilung und die Auswahlentscheidung auf. Damit war der dritte Durchgang erledigt.
Die DTAG läutete den vierten Durchgang ein und fertigte im Juni 2021 eine neue dienstliche Beurteilung, über deren Rechtmäßigkeit bislang noch nicht entschieden worden ist. Eine Konkurrentenmitteilung wurde nicht verschickt.
So viel zur Vorgeschichte.
Durch Verfügung von Juli 2021 teilte die DTAG dem Beamten dann mit, dass das Auswahlverfahren abgebrochen werde. Grund sei die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 14.06.2021, AZ: 1 B 431/21, in der die DTAG eine geänderte Rechtsprechung zu erkennen glaubte. Hinsichtlich der noch gesperrten Planstellen aus der Beförderungsrunde 2019/2020 erklärte sie, dass diese nicht verloren gehen sondern in der Beförderungsaktion 2021/2022 erneut vergeben und der jeweiligen Beförderungsliste zugeordnet werden.
Gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens wurde Widerspruch eingelegt. Da das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 03.12.2014, AZ: 2 A 3.13, zum Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens entschieden hat, dass effektiver Rechtsschutz für das auf Fortführung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens gerichtete Begehren allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, mit ihm das Fehlen eines sachlichen Grundes geltend gemacht werden kann und der Antrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung über den Abbruchsgrund zu stellen ist, hat der Beamte vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf lehnte den Eilantrag ab. Es wies darauf hin, dass es beim Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens zwei unterschiedliche Fallkonstellationen gibt. Hat sich der Dienstherr entschieden, die konkrete Stelle nicht mehr zu besetzen, ist er keinen strengen Bindungen unterworfen, denn eine solche Entscheidung unterfällt dem weiten Organisationsermessen. Eine gerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob sich die Entscheidung zum Abbruch als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erweist. Will der Dienstherr jedoch unbeschadet der getroffenen Auswahlentscheidung die Stelle weiterhin vergeben, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren durchführen, ist Prüfungsmaßstab für den Abbruch Art. 33 Abs. 2 GG. Deswegen bedarf es in einer solchen Fallgestaltung für die Abbruchentscheidung eines sachlichen Grundes.
Die streitige Abbruchsentscheidung sei der ersten Fallgruppe zuzurechnen. Sie sei weder willkürlich noch rechtsmissbräuchlich und damit beanstandungsfrei. Aber selbst wenn die Maßnahme der zweiten Fallgruppe zuzurechnen wäre, wäre der Abbruch nicht zu beanstanden, denn in der Absicht, die weitere Auswahlentscheidung einheitlich auf der Grundlage neuer dienstlicher Beurteilungen zu treffen, liege ein anerkennenswerter Sachgrund.
ln der Beschwerdeinstanz änderte das Oberverwaltungsgericht Münster den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ab und gab der DTAG auf, das Stellenbesetzungsverfahren fortzuführen.
Die Ausführungen zum Streitwert verärgern. Wie auch im Streitwertbeschwerdeverfahren 1 E 913/21 ausgeführt, ist unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Beschlüsse vom 29.07.2020, AZ: 2 VR 3.20, und vom 10.12.2018, AZ: 2 VR 4.18, der Auffangstreitwert nur dann angemessen, wenn der Antrag lediglich auf die Fortführung der Beförderungsrunden gerichtet ist. Wird hingegen auch die Neubescheidung beantragt, beläuft sich der Streitwert nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 6 GKG auf die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge. Das Bundesverwaltungsgericht orientiert sich am Antrag des Rechtsuchenden. Davon weicht der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster mit einer Begründung ab, die nicht akzeptabel ist.
Mit der ersten Instanz geht der Senat hart ins Gericht. Er bezeichnet die Annahme, die DTAG habe das Stellenbesetzungsverfahre endgültig abgebrochen, als ebenso fehlerhaft wie die hilfsweise Annahme, es gäbe einen erforderlichen sachlichen Grund.
Die wesentlichen Aussagen in der Sache sind eindeutig.